Titelseite des Hefts zum Thema «Chancengleichheit»
Gerechtigkeit, Glück und Menschenwürde gehören zu den ganz grossen und allgemeinen, dementsprechend auch abstrakten Werten in der Ethik. Konkret werden diese Werte allerdings sofort, wenn man sie auf eine Situation bezieht, z.B. auf das gemeinsame Wirtschaften in einer Organisation: Hier ist gerechte Verteilung von Einkommen und Arbeit sofort eine wichtige und sehr greifbare Sache. Gerade weil da ab und an Gerechtigkeit unserem Empfinden nach nicht unbedingt gegeben ist, merken wir, wie wichtig und sehr konkret dieser Wert ist. Zugleich lässt sich feststellen, dass wir relativ glücklich sein können, sogar glücklicher, wenn wir uns weniger mit anderen vergleichen und wenn wir mehr Menschen finden, mit denen wir uns verbinden mögen. Würde als Mensch wird manchmal in Organisationen verletzt oder eben auch sorgfältig respektiert, sehr konkret etwa in hierarchischen Machtverhältnissen oder in mobbinggefährdeten Gruppen.
Das Glück wurde vom Utilitarismus zum höchsten Wert erklärt. Die Menschenwürde bzw. die Autonomie des Menschen von Immanuel Kant. Dies geschah etwa zeitgleich und diese beiden Richtungen der Ethik standen einander – England versus Festland – recht unversöhnlich gegenüber. Heute versucht die Ethik, insbesondere in der angewandten Ethik, diese beiden Schulen der Ethik zusammen mit weiteren in ein gemeinsames System zu integrieren. Dabei geht man davon aus, dass in jeder dieser unterschiedlichen Schulen und Richtungen der Ethik eine wichtige Wahrheit enthalten ist. Nur: Wie bringt man diese stark verschiedenen Grundpositionen, die sich ja nicht zufällig ursprünglich bekämpft haben, in ein gemeinsames System zusammen? Die Lösung heisst in der Ethik «Kohärentismus». Doch der leistet noch mehr als die Integration der verschiedenen Schulen und Richtungen der Ethik. Nämlich integriert er auch abstrakt-allgemeine mit konkret-speziellen Werten sowie Logik und Intuition. Weil der Kohärentismus so viel zusammenbringt, ist er auch nicht ganz einfach. Darum erkläre ich ihn lieber mündlich als hier ihn wenigen Sätzen. Aber jetzt wissen Sie immerhin, um was es dabei geht.